Albtraum im Great Barrier Reef
Die Reparatur an unserer Sola nach dem Riffdesaster hat ( wir haben schon darüber geschrieben ) drei lange Wochen gedauert. Um ein wenig Zeit  auf unserer Reise nach Darwin aufzuholen, entschlossen Eva und ich uns für den anstrengerenden Weg, einige Nächte im Great Barrier  Reef durchzusegeln.
Nur zwei Mal verholten wir uns hinter eine Insel und in eine Bucht, um auszuschlafen.
Die Reisebedingungen waren außerordentlich gut. Klare Sicht, sonnige Tage, mondhelle Nächte, perfekter Wind aus E, also achterlich, zwischen 18 und 28 Knoten, kein Oceanschwell und ein sehr gut durch Lichter gekennzeichneter, Schifffahrtsweg, fast wie eine Autobahn. Wunderbares Küstensegeln. Nur, dass die
Autobahn zwischen Riffen liegt, erhöhte Aufmerksamkeit war geboten.
Wir navigieren auf der Sola mit dem Programm „ MaxSea“ und haben als Backup einen zweiten Rechner mit dem gleichen Programm immer griff- und einsatzbereit.
Die Karten im Riff stimmen hier in Australien fast auf den Zentimeter genau, Eva hatte sehr sorgfältig Wegpunkte und eine Route eingegeben, die wir abfuhren. Immer bewegten wir uns an dem unterschiedlich breiten Schifffahrtsweg ( schwankt stark zwischen 0.4 und bis zu 3.5 sm ) an den äußeren Rändern, um der Großschifffahrt nicht im Weg zu sein.
Zu unserer eigenen Sicherheit nehmen wir Seemannschaft sehr ernst. Im Stundenrhythmus haben wir uns in der Nacht bei den Wachen abgewechselt. Wenn die Dicken uns Nachts entgegenkamen, oder uns überholten, ( kam pro Nacht 3 -5 Mal vor ) haben wir mit einer starken Lampe immer unser Segel angestrahlt, um besser gesehen zu werden. Egal ob in der Nacht, oder auch am Tag, wenn eine Situation nicht eindeutig war, haben wir sofort zur Funke gegriffen um unsere Koordinaten durchzugeben, um die nahenden Schiffe auf uns aufmerksam zu machen.
Das folgende Erlebnis versuche ich so emotionslos wie möglich zu schildern, ohne zu übertreiben aber auch nicht zu untertreiben.
In der letzten Nacht unserer Fahrt im Riff, vor der Einfahrt in den Prince of Wales Channel  von Montag dem 10. 08. auf Dienstag den 11.08 um ca. 24.00 Uhr kommt uns auf der Höhe des Wyborn Reefs auf Position 10°48 S und  142°47 E ein Tanker entgegen. Der Schifffahrtsweg macht dort einen Schlenker nach NW. Man muss sich die Stelle wie ein Knie vorstellen. Wir befinden uns ganz außen an Backbord in Fahrtrichtung Nord des Weges, machen ungefähr 5 Kn Fahrt, der Tanker, so sieht es aus, kommt uns am äußeren Rand, mit Fahrtrichtung Süd, von uns aus gesehen an unserer Steuerbordseite entgegen. Wir sehen das hintere und vordere Toplicht, und das grüne Seitenlicht. Die Lage ist so eindeutig, die Entfernungen so groß, der Schifffahrtweg so breit, das Eva und ich uns einig sind, „ den brauchen wir nicht anzurufen, der ist so weit weg, da kann nix passieren“.
Eva geht wieder nach unten in ihre Koje. Immer wenn uns in der Nacht ein Schiff begegnet, beurteilen wir die Lage zu zweit, und entscheiden dann was gemacht wird. Kaum liegt Eva wieder, ich habe allenfalls eine Minute das nicht Schiff beobachtet, da sehe ich  grün und rot und das darüberliegende Toplicht auf uns direkt zu kommen. Aus der Tankerfront  wurde eine grauenvolle Fratze mit einem roten und einem grünen Auge.
Jetzt geht alles unglaublich schnell. Wieder verändern sich die Positionslampen unseres Entgegenkommers. Jetzt sehen wir die beiden Toplichter und Rot. Eva war mittlerweile auf mein Rufen ( besser beschrieben wäre Brüllen ) wieder im Cockpit.
Der Tanker wendet im Fahrwasser in einer Entfernung von uns von 150 m um 180° in Gegenrichtung und kommt uns mit seinem Heck auf 50 m nahe.
Unsere nachfolgenden Emotionen und Handlungen sind schwer zu beschreiben. Das Schiff über Kanal 16 anrufen ( macht Eva ), der antwortet natürlich nicht, auf uns mit dem Scheinwerfer aufmerksam machen ( macht Eva ), den Motor starten und brutal auf Rückwärtsfahrt gehen ( mache ich ) einen Ausweg finden, um den bevorstehenden Zusammenstoß doch noch zu verhindern ( versuchen wir beide ).
Wir hören die Schraubengeräusche, ( die werden hörbar schneller, denn zwischenzeitlich werden auch wir angestrahlt, man hatte an Bord des Gegners uns offensichtlich endlich entdeckt ) wir sehen die riesige Heckwand aus Stahl auf uns zukommen und nachdem ich ebenfalls auf Gegenkurs mit der Sola gedreht habe, entspannt sich die Lage genau so schnell wie sie eskaliert ist.
Die Schiffe bewegen sich von einander weg, und eine Minute später ist die Welt wieder so, als wenn nichts, aber auch gar nicht passiert wäre.
Wie schnell eine Standartsituation eskalieren kann erleben wir auf dramatische Weise. Was passiert wäre wenn uns der Tanker  wirklich getroffen hätte, wollen wir uns lieben nicht ausmahlen. Wie groß die Sogwirkung von Schrauben dieser Schiffklassen ist, haben wir ja im Panamakanal bei unserer Schleusung gemerkt.
Nichts haben wir um unseren Gegner ausfindig zu machen. Keinen Namen, kein Bild nichts. Alles ging so schnell, es war so düster, wir so durcheinander. Gemeldet hat sich der Master von dem Tanker natürlich über Funk auch nicht. Wir können uns nur vorstellen, dass er nicht aufgepasst und uns auf seinem Radar nicht gesehen hat.
Dankbar bin ich Eva. Sie hat auch unter dieser unglaublichen Stressbelastung richtig und schnell reagiert.
Wichtig ist uns, solche Erlebnisse so zu verarbeiten, dass wir gestärkt daraus hervorgehen. Wir hoffen, glauben aber ja, dass es uns gelingt.